Taschenwagen "TWIN" von Rocky Rail bzw. REE

In Zeiten immer schnellerer Transporte werden Güter heute nicht mehr per Güterwagen bis direkt an den Bestimmungsort gebracht, sondern nur noch zu einem großen Verteilzentrum, von wo aus es per LKW weiter geht. Durch dieses als "kombinierter Ladungsverkehr" (KLV) bezeichnete Konzept kann das Ziel auch fern ab einer Bahnstrecke liegen und zudem ist der letzte Weg beim klassischen Bahntransport der langsamste, da dort viele Ziele angefahren werden. Hierdurch sind dann auch klassische Stückgut-Wagen mit Ausnahme einiger vor allem in der Automobilindustrie angesiedelte Großkunden völlig verschwunden – ersetzt wurden diese durch Container, Wechselbrücken oder gleich durch LKW-Auflieger, die auf speziellen Tragwagen transportiert werden.

Um einen solchen Tragwagen hauptsächlich für LKW-Auflieger, aber auch für Container und Wechselbrücken, soll es hier gehen. Aufgrund ihrer Bauform, bei der Auflieger in einer "Tasche" des Wagens steht, werden diese Taschenwagen genannt. In den USA, wo man weit mehr Höhe hat, gibt es dagegen das Konzept TOFC ("Trailer on flat Car"), der Auflieger steht da einfach auf einem nichtmal besonders niedrig gebauten Flachwagen.

Die europäischen Taschenwagen wurden im Laufe ihrer Entwicklung indes immer wieder verändert, um neue Formen von Aufliegern transportieren zu können. Die ältesten, noch aus den 1970ern stammenden Wagen sind so bereits ausgestorben, weil da heutige Auflieger eben nicht mehr drauf passen. Die hiesige Bauart ist die hauptsächlich von der AAE beschaffte Bauart "TWIN", die bei einer Länge von 34 m gleich zwei Auflieger transportieren kann – die heute im KLV dominante Bauform sechsachsiger Wagen spart Gewicht – in diesem Falle wiegt der Wagen leer nur 35 t statt zweimal 20 t für vergleichbare vierachsige Wagen. Zudem spart man auch knapp 3 m Länge pro Paar ein, was in Summe dann einen Wagen (bzw. zwei Ladungsträger) mehr pro Zug bedeutet.

Das Modell

Anschriften: Wagen
Das Modell wurde von der Firma Rocky Rail zur Messe 2011 angekündigt und zu Weihnachten 2012 dann ausgeliefert – wobei wie auch bei anderen Modellen dieses Herstellers Ankündigung und Auslieferung der Varianten zweierlei waren. Eine Reihe später angekündigter Varianten ist dagegen im Sande verlaufen und Anfang 2017 verkündete der Hersteller den Verkauf seiner Spur N-Modelle an den französischen Hersteller REE Modèles. Eben dieser hat nun gleich mal acht Varianten der Wagen ausgeliefert, die so alles schonmal von Rocky Rail angekündigt waren.

Der fein detaillierte Wagen selbst ist weitgehend aus Metall gefertigt, so dass das immerhin 212 mm lange Modelle unbeladen schon 30 g wiegt. Die Auflieger tragen je weitere 9 g bei. Die Maße in der Länge sind erwartungsgemäß korrekt – doch auch die Höhe ist mit Blick auf das Angebot in H0 eine positive Überraschung. Zwar liegt der Wagen in der Gesamtheit rund 0,5 mm höher als maßstäblich, dies ist jedoch im Vergleich gerade zum H0-Modell von Rocky Rail gar nichts. Hier ist es offenbar von Vorteil, dass sich N-Bahner keinen Kopf über Punktkontakte machen müssen.

Die Auflieger beide jeweils individuelle Nummern und sind recht vollständig bedruckt –  bei REE jetzt deutlich aufwändiger als bei Rocky Rail, so gibt es jetzt bedruckte Stoßstangen und bei LKW Walter zudem ein gelbes Dach samt dortiger Nummer. Den Auflieger auf dem Wagen zu befestigen, ist recht fummelig, danach sitzt er immerhin so fest, dass man den Wagen daran hochheben kann. Die Auflieger entsprechen soweit entzifferbar dem Typ P386/88, liegen also sehr tief.

Beladungen

Mieteranschrift
Ab Werk angeboten wird der Wagen mit jeweils zwei identischen Gardinenplanen-Aufliegern, die ich hier wegen des Durcheinanders einmal auflisten möchte; bei den Modellen von REE dann auch die Nummer, unter der sie von Rocky Rail einst angekündigt waren.
Alle Wagen sind Eigentum der AAE und jeweils an einen Betreiber vermietet. Selbiges wirkt sich lediglich auf eine Angabe etwa in Fahrzeugmitte aus – hier links im Bild.
Anschriften: Auflieger
  • RR60301 Crossrail (Ewals Cargo Care)
  • RR60302 ? (LKW Walter)
  • RR60304 Hupac (arcese)
  • RR60306 Hupac (Ambrogio)
  • RR60313 Hupac (nothegger)
  • RR60314 Hupac (Ewals Intermodal)
  • RR60317 Crossrail (T.T.S.)
  • REE NW-087 (ex RR60305) Cemat (Fercam)
  • REE NW-088 (ex RR60308) Hupac (DHL)
  • REE NW-089 (ex RR60311) DB Schenker (DB Schenker)
  • REE NW-090 (ex RR60325) TX Logistic (LKW Walter)
  • REE NW-091 (ex RR60329) Hupac (Wetron)
  • REE NW-092 (ex RR60330) TX Logistic (Gruber)
  • REE NW-093 (ex RR60333) DB Schenker (Carlsberg)
  • REE NW-094 (ex RR60334) DB Schenker (Warsteiner)
Anmerkung: Nicht alle Vorbildfotos zeigen den TWIN, hier geht es mir vor allem um die Auflieger. Gerade hier sind bessere Bilder stets gewünscht!

Andere Auflieger

Versuche, andere Auflieger auf dem Wagen zu verladen, sind bisher erfolglos geblieben.  Versucht habe ich es hier mit einer Gardinenplane von Herpa. Diese liegt bei ähnlicher Höhe des eigentlichen Aufbaus deutlich höher, so dass dessen ohnehin etwas dickerer Königszapfen über die Aufnahme am Wagen hinwegragt. Hier müsste man sich einen Adapter basteln, um die im Original höhenverstellbare Aufnahme auszugleichen – das sollte im 3D-Druck lösbar sein. Es sei allerdings auch gesagt, dass der Herpa-Auflieger keine Kenncodes für eine Bahnverladung hat – und seine hässlichen Räder verschwinden auch nicht in der Tasche. Ein Versuch mit einem Wiking-Auflieger endete ähnlich, zumal dort der Königszapfen noch dicker ist. Lohnend wären eventuell Versuche mit Aufliegern von Lemke/Hobbytrain, Minitrix oder Roco – alles übrigens Hersteller, die selbst Taschenwagen anbieten.

mit MAN F90 (Lemke)
Die mitgelieferten Auflieger sind für eine Zugmaschine von Herpa dann auch viel zu tief, so dass sie steil nach hinten abfallen würden. Selbst ein recht tief bauender und eigentlich zu alter MAN F90 von Lemke ergibt eine leicht hängende Angelegenheit, erscheint mir optisch aber noch annehmbar.

Container

Querriegel
Auch der Versuch, einen Container auf dem Wagen zu verladen, blieb erfolglos. Versucht habe ich es diesmal mit einem nach NEM 380 konstruierten 40' HiCube von Walthers (bzw. Faller) und dem zu kurzen Standardcontainer von Fleischmann. Ob andere Container – insbesondere solche von Rocky Rail/REE Modèles selbst – passen, möchte ich nicht ausschließen. Die Verladung von Containern eines anderen Herstellers ist ein leidiges Thema, da jeder Hersteller meint, er müsse ein eigenes System entwickeln, wie die Container auf dem Wagen befestigt werden. Zwar gibt es hierfür die ursprünglich wohl von Minitrix stammende Norm, diese wird aber seitens der meisten Mitbewerber nur als "so auf keinen Fall" gelesen. Nicht selten werden die Befestigungen sogar innerhalb eines Herstellers geändert, so dass Container neuerer Wagen nicht auf ältere Modelle passen.

Im Original hätte der Wagen zwei bewegliche Querriegel, die die Container tragen. Diese sind im Modell aber ohne Funktion, dafür aber im Weg…

Ähnliche Modelle

Als Vorgänger dieser Wagen kann die weit verbreitete Bauart T2000 angesehen werden, der ebenfalls zwei Auflieger transportieren kann. Diesen Wagen gibt es als mäßigen Kompromiss (das Modell besteht eigentlich aus zwei Taschenwagen-Hälften des "Papagei" Sdggmrs 744) von Hobbytrain und ist als Neukonstruktion von Fleischmann angekündigt. Der schon angesprochene Sdggmrs 744 (ebenfalls bei Hobbytrain) ist auf einer Wagenhälfte als Containertragwagen, auf der anderen als Taschenwagen ausgeführt. Noch fehlen tut die aktuelle Bauart T3000, wie sie von diversen Betreibern eingesetzt wird; darunter auch als Sdggmrss 738 der Deutschen Bahn.

Daneben gibt es natürlich eine Vielzahl sechsachsiger Containertragwagen. Von Rocky Rail bzw. jetzt REE die Sggrss mit 80' und Sggmrs mit 90' nomineller Ladelänge sowie von Fleischmann einen Sggmrss 715 mit gar 104' Ladelänge für besonders große Wechselbrücken.

T1 von Minitrix
An vierachsigen Taschenwagen gibt es lediglich von Roco (inzwischen mit KK bei Fleischmann gelandet) und Minitrix den im Vorbild heute kaum noch für Auflieger verwendeten Sdgkms 707 "T1" aus den 1970ern, der aber auch in Lackierungen seines längeren Nachfolgers T3 angeboten wird. Diese fehlen ebenso wie die noch aktuellen Bauarten T4 und T5 (beide wiederum vor allem bei Hupac und Wascosa im Einsatz).