Drehgestell-Leichtbaukesselwagen Bauart Uerdingen von Brawa

Die vierachsigen Leichtbau-Kesselwagen der Bauart Uerdingen wurden etwa ab Kriegsbeginn von der gleichnamigen Waggonfabrik gebaut. Die Wagen haben scheinbar einen Außenrahmen, dieser ist jedoch weitgehend Show - tragende Komponente ist der Kessel selbst. Hierdurch konnte der Wagen wesentlich leichter gebaut werden und somit mehr Inhalt fassen - und davon brauchte es zur Bauzeit der Wagen reichlich…

Parallel dazu war bei Deutz ein ähnlicher Typ entstanden, der ganz auf diesen Langträger verzichtete. Beide Wagen gab es auch als Zweiachser. Später wurden aus dem zweiachsigen Uerdinger und dem vierachsigen Deutz die eigentlichen Einheitskesselwagen entwickelt - was aber nicht bedeutete, dass der andere Typ nicht weiterhin gebaut wurde und gerade die frühen vierachigen Nachkriegs-Neubauten ähneln meist eher dem Uerdinger Typ, so etwa der SEAG-Wagen (Minitrix-Modell) oder ein 1963 von Tatra für die Reichsbahn gebauter Wagen.

Es ist ein weit verbreiteter Mythos, dass die vierachsigen Leichtbau-Kesselwagen in der Epoche III Massenware gewesen sind. Die Wagen sind zwar in riesiger Zahl gebaut worden, da sie aber ausschließlich der militärischen Versorgung dienten (die WiFo war nichts anderes als der Treibstoff-Lieferant der Wehrmacht, Variante 67700), waren sie bevorzugtes Ziel von Luftangriffen. Darüber hinaus waren die Wagen Kriegsbauarten, für die galt "wer sie findet, dem gehören sie" - so dass sich die Wagen über ganz Europa verteilt haben. Im Zuge der Auslieferung des H0-Modells machten Schätzungen von nur etwa 400 in Deutschland verbliebenen Wagen für alle Bauformen zusammen die Runde.

Die überwältigende Mehrzahl dieser Wagen gehörten dem WiFo-Nachfolger VTG (Varianten 67701, 67720). Bei den Mineralölkonzernen landeten jeweils nur winzige Stückzahlen, wobei Stefan Carstens dafür zwar einige Zahlen zusammengetragen hat, jedoch in seinen Büchern kein einziges (!) Foto der hier diskutierten Bauart hat - und auch im Netz konnte ich keinen einzigen deutschen Wagen (wohl aber einen einzelnen der Dansk Shell) finden.

Eines der wenigen Bilder eines echten Uerdingers überhaupt finde sich bei Drahtkupplung.de - das gleiche hat auch Brawa 2013 für die erste Ankündigung in H0 verwendet:

Die Bestände der Mineralölkonzerne in alphabetischer Reihenfolge. Jeweils als Summe aller Drehgestell-Leichtbaukesselwagen, also Uerdingen, Deutz und Einheitsbauart zusammen (laut Carstens):
  • BP: 9, später 12 Wagen (Ep.3-Version 67708 mit Bremserhaus)
  • B.V. Aral: 8 Wagen (nur Epoche III, angekündigt als 67714)
  • DEA: 6, später 9 Wagen (Ep.4-Version 67110)
  • Deurag-Nerag "Neragol": 20 Wagen
  • Esso: 4 Wagen (Ep.4-Version 67702)
  • Fuchs: 1 Wagen
  • Rheinpreussen: 1 Wagen, der mit der Übernahme zu DEA kam
  • Shell: 59 Wagen (hier wird es wie mir zugetragen wurde, wegen Lizenzbestimmungen keine Modelle geben)
Die Valvoline-Version (67717) ist ohne Vorbild (die hatten nur 5 Zweiachser), zu ÖMV (67706, 67707) fehlen mir Unterlagen.

Die Variante IVG (67703) sind Wagen, die wiederum für den millitärischen Zweck reserviert sind - dies war jedoch nur vorübergehend (und meines Wissens eher Epoche III als IV), da die die meiste Zeit sinnlos rumstehenden Wagen so nur vor sich hin oxidierten. Später hat man dann einfach nur Wagen von VTG mit Priorität angemietet. Unter 67718 ist noch eine Version als Bahndienstwagen der DB angekündigt. Die anderen Varianten sind DR, wozu ich wiederum keine Unterlagen habe.

Das Modell

Ausgeliefert wurden zunächst insgesamt 10 Varianten. Dies sind die in den Neuheiten 2017 auf den Seiten 86 und 87 angekündigten Varianten 67700 bis 67708 und etwas versteckt auf Seite 94 ein Wagen der DEA aus später Epoche IV unter 67710. Das ich hier auf einen Händler verweise, soll übrigens nicht der Werbung dienen, sondern weil dieser – anders als Brawa – auf seinen Fotos die tatsächlichen Modelle zeigt.

Der BP-Wagen 67708 hat dabei ein Bremserhaus.Der ÖMV-Wagen 67706 erscheint anders als angekündigt nicht in schwarz/grau, sondern schwarz/blau und ohne Bremserhaus. Diese Farbgebung deckt sich mit dem einzigen schwarz/irgendwas-Farbfoto, dass ich finden konnte.

Darüber hinaus variiert die Ausführung des Geländers, welches bei einigen (vor allem späteren) Varianten um die Kesseldome herumreicht, bei anderen nur einseitig ausgeführt ist. Für mich erstaunlich hat auch der WiFo-Wagen 67700 diese Ausführung.

Angekündigt sind darüber hinaus neun weitere Varianten, darunter eine zweite Nummer des offenbar gut gefragten VTG-Wagens. Diese sollen Ende des Jahres erscheinen.

Die Wagen am Rand: Links Liliput, rechts Trix
Mit einer Maßskizze kann ich in diesem Falle leider nicht dienen, so dass ich für den Vergleich nur den Deutz-Typ von Liliput und die Zeichnungen der jeweiligen zweiachsigen Bauarten habe. Im direkten Vergleich mit dem Liliput-Modell fällt zunächst auf, dass der Rahmen bei Brawa deutlich niedriger ist. Die Skizzen der zweiachsigen Wagen zeigen hier in der Tat einen Unterschied von 10 cm - hier sind also beide Wagen richtig. Vergleiche mit dem SEAG-Wagen von Trix unterlasse ich einmal, da ich dazu noch weniger Unterlagen habe. Die inzwischen rund 30 Jahre des Modells dürften sich jedoch ebenfalls bemerkbar machen. Bühne-an-Bühne sollte man den SEAG definitiv nicht an einen der anderen kuppeln.

Die Detaillierung ist vergleichbar sehr gut, hier lasse ich am besten die Bilder sprechen. Definitiv ein Highlight, aber sicherlich auch sehr empfindlich sind die freistehenden Signalhalter. Auch auch das Geländer an der Leiter nach oben ist deutlich feiner (und vor allem beidseitig) ausgeführt. Auch sind bei einigen der fünf Kesselsegmente die Enden der Stahlbahnen erkennbar. Und umso länger ich mir den Wagen ansehe, umso mehr Details entdecke ich.
Der Rahmen ist wieder mehrfarbig lesbar bedruckt. Am Unterboden gibt es eine freistehende Bremsanlage, der Kessel geht also wirklich "rum".

Diesmal habe ich den Wagen gleich in meinen Testzug gehängt, wo er problemlos mitfährt. Ebenso durch eine R1-S-Kurve. Die Kulisse erscheint etwas schwergängig, reicht aber offenkundig aus.

Schwergängig ist auch das Rollverhalten zumindest einiger Achsen - offenbar kommt man sich mit dem Bremsgestänge ins Gehege, da will ich noch etwas fummeln. Ist aber egal, bei gerade einmal 11 g Gewicht (Liliput 15, Trix 19 g) wird er zur Not einfach mitgeschliffen und wahrscheinlich wird sich das mit der Zeit eh erledigen. Schön, dass die Hersteller langsam aber sicher lernen, dass Kesselwagen keine rollenden Bleifässer sein müssen.

Ähnliche Modelle

Ähnliche Kesselwagen gibt es in Spur N durchaus einige, immerhin waren die Wagen recht lange im Einsatz und es gibt eben auch eine ganze Reihe ähnlicher Typen.

Minitrix-Kesselwagen
Von Minitrix gibt es seit den 1980ern einen von SEAG 1955 gebauten Typ, dessen Rahmen unten gerade abschließt - im Gegensatz zu dem markanten Versatz des Uerdingers. Theoretisch gehören da zudem modernere Drehgestelle drunter. Von Trix wird der Wagen seit einigen Jahren mit Reichsbahn-Drehgestellen und teilweise sogar Bremserhaus als nicht ganz korrekter Uerdinger vermarktet. Nun, jetzt darf er seine ursprüngliche Identität gerne wiederfinden…

Einheitskesselwagen 63 m³ (Liliput)
Von Liliput gibt es den Typ Deutz bzw. den eigentlichen Einheitskesselwagen. Beide unterscheiden sich nur in Details voneinander (die Liliput umgesetzt hat!). Nur diese Typen gibt es in Vorbild und Modell auch mit einem kleineren Kessel von nur 48 m³ etwa für Schmieröle.
Bauart Deutz mit 48 m³ (Liliput)

Dann wäre noch das Modell von Piko (hier ohne Bild), bei dem es sich tatsächlich um einen Uerdinger Kesselwagen handelt. Das rund 50 Jahre alte Modell sieht für sein Alter auf Bildern erstaunlich gut aus, hat aber dann doch eine Ablösung mehr als verdient.

Weitere Informationen zu den Vorbildern mit Schwerpunkt auf dem bei den Drehgestellwagen weitgehend identischen Modell-Angebot in H0, gibt's hier: http://www.drahtkupplung.de/gtbhb245C.html

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